Informations- und Kommunikationstechnik

Ortskurven

Passive lineare Schaltungen mit R, L und C an sinusförmigen Signalen sind durch ihre Impedanz, dem Wechselstromwiderstand oder seinem Leitwert, der Admittanz charakterisierbar. Die Schaltungen bilden von der Frequenz abhängige Spannungsteiler, deren Spannungsverlauf im Amplitudenfrequenzgang grafisch darstellbar ist. Die Phasenlage des Ausgangssignals bezogen auf das Eingangssignal kann grafisch im Phasenfrequenzgang gezeigt werden. Beide Darstellungen bilden das komplette Bodediagramm.

Bei gegebenen Bauteilwerten kann für jede Frequenz die Impedanz Z berechnet und als Zeiger in ein Polarkoordinatensystem mit reeller und imaginärer Achse gezeichnet werden. Entsprechend den Achsenparametern gibt die Zeigerlänge dann die Impedanz, Admittanz, Ausgangsspannung oder den Ausgangsstrom an. Die Phasenlage ist durch den Winkel des Zeigers mit der reellen Achse bestimmt.

In der Elektronik beschreibt die Systemtheorie unter anderem das Übertragungsverhalten von Signalen. Eine hilfreiche Voraussetzung ist das Rechnen mit komplexen Größen sowie deren Darstellungen im Polarkoordinatensystem oder der Gaußschen Zahlenebene. Die oben genannten komplexen Größen sind von den Bauteilwerten abhängig. Die Impedanz Z einer dimensionierten RC- oder RL-Reihenschaltung ist frequenzabhängig. Die Ortskurve ist die Verbindung der errechneten Impedanzwerte in der komplexen Ebene durch einen Kurvenzug mit der Frequenz als Parameter. Die Zeigerlänge vom Nullpunkt zum Kurvenpunkt auf der Ortskurve entspricht dem skalaren Impedanzwert der aktuellen Frequenz. Der Phasenwinkel bezogen auf die Re-Achse zählt linksdrehend positiv und rechtsdrehend negativ. Die Lote vom Zeigerendpunkt auf die Koordinatenachsen ergeben für die jeweilige Frequenz als Achsenabschnitte die Wirk- und Blindkomponente des Systems.

Ortskurve einer RC-Schaltung

Mit den Bauteilen R = 2 kΩ und C = 159 nF kann eine Reihen- oder Parallelschaltung gebildet werden. Die komplexe Impedanz der Reihenschaltung ist von der Frequenz abhängig und grafisch in der komplexen Ebene als Ortskurve mit der Frequenz als Parameter dargestellt. Die Blindwiderstandswerte wurden für einen bestimmten Frequenzbereich errechnet und im Polarkoordinatensystem eingetragen. Alle Werte liegen im 4. Quadranten auf einer Geraden. Da der ohmsche Widerstand ist von der Frequenz unabhängig ist, verläuft sie parallel zur imaginären Achse im Abstand von 2 kΩ. Auf die Re-Achse bezogen ist der Phasenwinkel der Impedanz negativ. Das Diagramm ist mit den angegebenen gerundeten Rechenwerten des Blindwiderstands, der Impedanz und des Phasenwinkels erstellt.

f / kHz 5 2 1 0,5 0,4 0,3 0,25 0,2
Xc / kΩ 0,2 0,5 1,0 2,0 2,5 3,3 4,0 5
Z / kΩ 2,009 2,062 2,236 2,830 3,202 3,890 4,475 5,385
−φ / ° 5,7 14 27 45 51 59 63 68
Ortskurve der Impedanz einer RC-Reihenschaltung

Die Ortskurve kann auch für die Parallelschaltung von R und C mit der Frequenz als Parameter gezeichnet werden. Im Polardiagramm wird sie durch die Zeiger aller Gesamtleitwerte oder Admittanzen gebildet und verläuft im 1. Quadranten parallel zur imaginären Achse. Die Achsenbezeichnungen der Leitwerte werden in Siemens S angeben. Die Phasenwinkel sind auf die Re-Achse bezogen positiv.

Invertierte Ortskurve

Von besonderem Interesse ist die Inversion einer Ortskurve. Die Inversion der Impedanz ergibt als Kehrwert die Admittanz, den Leitwert der Schaltung. Die Inversion der Ortskurve hat als Ergebnis die zur Ausgangsschaltung äquivalente Schaltung. Diese Umrechnung ist immer dann notwendig, wenn es sich um gemischte Reihen- und Parallelschaltungen wie bei T- und Π-Filtern, belasteten Filtern und Schwingkreisen handelt.

Aus der oben dargestellten Ortskurve der Impedanz kann die invertierte Ortskurve konstruiert werden. In der komplexen Ebene ist der invertierte Zeiger an der Re-Achse gespiegelt. Der absolute Winkelwert bleibt gleich und hat in der invertierten Kurve das entgegengesetzte Vorzeichen. Die skalare Zeigerlänge der Admittanz ist der Kehrwert der skalaren Impedanz und wird auf dem Winkelstrahl abgetragen. Alle miteinander verbundene Zeigerendpunkte ergeben die neue Ortskurve als äquivalente Admittanz.

Invertierte Ortskurve, Admittanz der RC-Reihenschaltung

Die Berechnung der Zeigerendpunkte auf der Ortskurve kann mit den Teilgleichungen für den reellen (Re) und imaginären (Im) Teil erfolgen. Bei Kenntnis der Werte für die Impedanz und den Phasenwinkel kann mit den Tabellenwerten der reelle Leitwert zu G = (1 / Z) · cos(φ) und der Blindleitwert zu B = (1 / Z) · sin(φ) errechnet werden.

Die Ortskurven einfacher RC- und RL-Schaltungen verhalten sich wie folgt:

Ortskurve einer Übertragungsfunktion

Innerhalb dieses Webprojekts sind die Übertragungsfunktionen fast immer als Bodediagramm dargestellt, bestehend aus dem Amplituden- und Phasenfrequenzgang. Mit der Übertragungsfunktion des Zweitors (Vierpols) wird nachfolgend für einen RL-Tiefpass die Ortskurve erstellt.

Gesucht ist das Verhältnis der Ausgangs- zur Eingangsspannung am Zweitor. Es ist von der Frequenz abhängig und somit eine komplexe Größe. Die Eingangsspannung liegt an der Reihenschaltung aus je einem Wirk- und Blindwiderstand. Die Ausgangsspannung ist beim RL-Tiefpass am ohmschen Widerstand messbar. Zur Vereinfachung wird auf die Ausgangsgröße normiert, wobei der Zähler den Wert 1 annimmt. Eine weitere Vereinfachung ist die Normierung auf die Grenzfrequenz. In der Systemtechnik wird die normierte Kreisfrequenz als Ω bezeichnet. Sie hat bei der Grenzfrequenz den Wert Ω = 1.

normierte Ortskurve einer RL-Tiefpass Übertragungsfunktion

Die gerundeten Werte der Ortskurvenpunkte gelten für einen dimensionierten RL-Tiefpass mit R = 1 kΩ und L = 100 mH. Mit den Werten Ω, |v| und φ könnten auch die Diagramme des Amplituden- und Phasenfrequenzgangs gezeichnet werden. Dazu werden auf einer Frequenzachse in linearer Teilung die log(Ω)-Werte eingetragen. Die Amplitudenachse erhält eine lineare oder logarithmische dB-Teilung, während die Achse der Phasenwinkel immer linear geteilt ist.

f / kHz 0 0,5 1 1,6 2 2,5 4 5 10
Ω 0 0,314 0,628 1,005 1,257 1,57 2,51 3,14 6,28
Re 1 0,91 0,72 0,50 0,39 0,29 0,14 0.09 0,02
−Im 0 0,29 0,45 0,50 0,49 0,45 0,34 0,29 0,16
|v| 1 0,954 0,847 0,705 0,623 0,537 0,370 0,303 0,157
−φ / ° 0 17,4 32,1 45,0 51,5 57,5 68,3 72,3 81,0

Mit den Werten |v| und φ kann auch die Ortskurve der Impedanz der RL-Reihenschaltung erstellt werden. Der zu errechnende Faktor des ohmschen Widerstands folgt aus (1 / |v|) · cos(φ) und der Faktor des Blindwiderstands aus (1 / |v|) · sin(φ). Bei Vorgabe einer Grenzfrequenz und des ohmschen Widerstandes sind mit den Faktoren für jeden RL-Tiefpass alle interessierenden Diagramme erstellbar.

Ortskurve eines Reihenschwingkreises

Ein realer Reihenschwingkreis wird mindestens durch den ohmschen Drahtwiderstand der Spule gedämpft, der für die Kreisgüte mitbestimmend ist. Setzt man in der komplexen Impedanzfunktion den imaginären Teil gleich null, kann daraus die Resonanzfrequenz ermittelt werden. Bei ihr wirkt der Reihenschwingkreis nach außen hin als reeller ohmscher Widerstand und zwischen Spannung und Strom besteht keine Phasenverschiebung.

Impedanzfunktion des Reihenschwingkreises

Der linke Teil der folgenden Grafik zeigt die Ortskurve der auf den Verlustwiderstand normierten komplexen Impedanz eines Reihenschwingkreises. Der Parameter ist die normierte Frequenzverstimmung Ω. Unterhalb der Resonanzfrequenz ist der Parameter negativ und der RLC-Reihenkreis verhält sich kapazitiv. Oberhalb ist das Verhalten induktiv und der Parameter positiv.

Ortskurven des Reihenschwingkreises

Liegt am Reihenschwingkreis für alle Frequenzen eine konstante Spannung an, so fließt im Resonanzfall der maximale Strom und beim verstimmten Kreis bleibt er geringer. Der rechte Teil der Grafik zeigt die Ortskurve mit dem Parameter Ω für den auf seinen Maximalwert normierten komplexen Strom. Bei Ω = ±1 beträgt der Phasenwinkel φ = ±45°. Der Strom erreicht den Wert I = Imax/√2. Durch Ω = ±1 ist die Bandbreite des Schwingkreises bestimmt.