Informations- und Kommunikationstechnik

Der Parallelschwingkreis

Sind im Stromkreis zwei sich gegenseitig ergänzende Energiespeicher und Energiewandler vorhanden, kann eine einmalige Energiezufuhr zu gedämpften Resonanzschwingungen führen. Im Kapitel Einführungen zum Schwingkreis ist der Vorgang anschaulich dargestellt worden. Ein einfacher elektrischer Schwingkreis enthält die passiven Bauteile Kondensator und Spule. In den meisten Fällen kann der Kondensator als ideales Bauteil gesehen werden. Die Spule mit ihrem ohmschen Drahtwiderstand hat ein weniger ideales Verhalten. Ein einmalig zugeführter kurzer Energieimpuls regt den Schwingkreis zur gedämpften Schwingung mit seiner charakteristischen Eigenfrequenz ab. Abhängig von der Güte der Bauteile klingt die Schwingung mehr oder weniger aus.

Wird ein Schwingkreis dauerhaft mit Energie versorgt und verfügt die Signalquelle über ein weites Frequenzband, dann ist am Schwingkreis bei seiner Resonanzfrequenz eine ausgeprägte Signalamplitude messbar. Mit einem Schwingkreis, dessen Resonanzfrequenz einstellbar ist, kann aus dem elektromagnetischen Frequenzgemisch vieler Rundfunk- und Fernsehkanäle genau eine gewünschte Information herausgefiltert werden.

Die Reihenschaltung von R, L und C ist im Kapitel Reihenschwingkreis ausführlich beschrieben. Im Parallelschwingkreis bilden Kondensator und Spule eine Parallelschaltung. Da der ohmsche Drahtwiderstand der Spulen mit dem induktiven Blindwiderstand eine Reihenschaltung bildet, muss zur genauen Berechnung des Parallelschwingkreises der Wert von R in den dazu äquivalenten Wert eines Parallelwiderstands umgerechnet werden.

Die Eigenschaften des Parallelschwingkreises werden für den Fall der Fremdanregung untersucht. Wird am Schwingkreis ein niederohmige Spannungsquelle parallel angeschlossen, so belastet ihr Innenwiderstand den Schwingkreis so stark, dass keine Resonanz zu erkennen ist. Die Signalquelle muss über einen hochohmigen Vorwiderstand entkoppelt angeschlossen werden. Mit dem Vorwiderstand zusammen betrachtet verhält sich die Signalquelle als Konstantstromquelle. Der Schwingkreis wird fast nicht belastet und die Energieverluste im Schwingkreis sind nur dem ohmschen Widerstand der Spule zuzuschreiben. Die Schaltungssimulation liefert den im Bild dargestellten Amplituden- und Phasenfrequenzgang des Parallelschwingkreises.

Parallelschwingkreis mit Bodediagramm

Bei konstanter Generatorspannung wird die Frequenz kontinuierlich geändert. Mit zunehmender Frequenz wird die Spannung am Schwingkreis größer, erreicht bei der charakteristischen Resonanzfrequenz fo ihr Maximum und nimmt danach wieder ab. Auf das Eingangsignal bezogen durchläuft die Phasenverschiebung des Signals am Schwingkreis den Bereich von φ = +90° zu φ = −90° mit φ = 0° bei der Resonanzfrequenz. Über einen großen Frequenzbereich betrachtet ist der Kurvenverlauf zu beiden Seiten der Resonanzfrequenz nicht symmetrisch. Oftmals wird nur der wichtigere Bereich um das Maximum herum aufgenommen, wo der Kurvenverlauf symmetrisch erscheint.

äquivalenter Parallelschwingkreis

Die Schaltung zeigt den realen Parallelschwingkreis als Mischschaltung. Die Reihenschaltung aus Induktivität und Verlustwiderstand wird für die Resonanzfrequenz in eine äquivalente Parallelschaltung umgerechnet. Die Formeln vereinfachen sich, wenn der Wert des ohmschen Spulenwiderstands sehr klein gegenüber dem Blindwiderstand bei Resonanz ist. Das entspricht einer Spulengüte, die größer als 10 ist. Das Ergebnis ist eine mit Zeigerdiagrammen gut zu beschreibende und zu berechnende Parallelschaltung aus zwei Blindwiderständen und einem Wirkwiderstand.

Bei der Phasenbestimmung einer Parallelschaltung ist die an allen Bauteilen gleich große Spannung die Bezugsgröße. Strom und Spannung am ohmschen Widerstand weisen keine Phasenverschiebung auf. Im Kondensatorzweig beträgt die Phasenlage zwischen Strom und Spannung +90°. Im Spulenzweig beträgt die Phasenlage zwischen Strom und Spannung −90°. Die Zweigströme sind direkt proportional zu den Leitwerten, mit denen das Zeigerdiagramm erstellt wird.

Für niedrige Frequenzen bestimmt der jeweilige induktive Blindleitwert das Verhalten der Schaltung. Bei hohen Frequenzen ist der jeweilige kapazitive Blindleitwert bestimmend. Nur bei der Resonanzfrequenz fo sind beide Blindleitwerte gleich. Wegen ihrer gegensätzlichen Phasenlage heben sie sich in ihrer Wirkung nach außen hin auf. Im Resonanzfall hat der Parallelschwingkreis dann die Eigenschaften eines ohmschen Widerstands und der Phasenwinkel zwischen Strom und Spannung beträgt φ = 0°.

Parallelschwingkreis mit Zeigerdiagramme

Für den Fall einer idealen Kapazität und Induktivität leitet sich durch Gleichsetzen beider Blindwiderstände oder Leitwerte die Resonanzfrequenz und somit die Thomsonsche Schwingungsgleichung her. In der oben dargestellten Durchlasskurve sind zwei weitere Frequenzen für die Phasenwinkel φ = ±45° eingezeichnet. Wie bei Hoch- und Tiefpassschaltungen lassen sich auch für den Schwingkreis Grenzfrequenzen definieren. Der Parallelschwingkreis verhält sich unterhalb der Resonanzfrequenz mehr induktiv und darüber mehr kapazitiv. Bei den Grenzfrequenzen hat die Amplitude der Resonanzkurve mit −3 dB noch 70,7% ihres Maximalwertes. Die Differenz zwischen oberer und unterer Grenzfrequenz wird als Bandbreite bezeichnet.

Thomsonsche Resonanzformel

Charakteristische Eigenschaften

Die Bandbreite

Ganz allgemein ist die Bandbreite in einem kontinuierlichen Frequenzspektrum die Differenz zwischen zwei Frequenzen. Bei Schwingkreisen und elektronischen Filtern wird als absolute Bandbreite Δf der Bereich zwischen den beiden Grenzfrequenzen bezeichnet. Im Diagramm des Amplituden-Frequenzgangs ist dieser Bereich gelb gekennzeichnet. Bei den Eckfrequenzen beträgt die Amplitude noch 70,7% ihres Maximalwertes, ist somit auf −3 dB abgesunken. Absolute Bandbreite: B = Δf = fgo − fgu

Die Bandbreite des Schwingkreises wird bei vorgegebenen C- und L-Werten durch den ohmschen Parallelwiderstand beeinflusst. Im Zeigerdiagramm kann man erkennen, dass bei kleineren Leitwerten G die Phasenwinkel φ von −90° ... 0° ... +90° sehr viel schneller durchlaufen werden. Ein kleiner Leitwert, gleichbedeutend einem großen Wert des Parallelwiderstands, belastet den Schwingkreis wenig und die Resonanzkurve ist schmaler und steiler. Bei einem Schwingkreis mit ideal angenommenem Verhalten fehlt der Parallelwiderstand, sein Wert wäre unendlich groß und der dazu äquivalente Drahtwiderstand der Spule würde gegen null streben. Die Bandbreite würde dann ebenfalls gegen null streben und einzig bei der Resonanzfrequenz wäre eine Amplitude vorhanden. Dieser Fall ist praktisch nicht möglich, da es keine absolut idealen Bauteile gibt.

Die relative Bandbreite

Ist die absolute Bandbreite sehr viel kleiner als die Resonanzfrequenz, kann eine relative Bandbreite Brel angegeben werden. Sie ist das Verhältnis der absoluten Bandbreite B = Δf bezogen auf die Resonanzfrequenz f0. Das Ergebnis ist ein benennungsloser Zahlenwert, der oft in Prozent angegeben wird. Relative Bandbreite: Brel = Δf / f0

Die Schwingkreisgüte

Je länger in einem einmal angestoßenen Schwingkreis die Energie pendelt oder je weniger Energie zur Aufrechterhaltung einer konstanten Schwingamplitude zugeführt werden muss, desto idealer ist sein Verhalten. Die Energieverluste sind proportional zum ohmschen Widerstand oder Leitwert. Der Verlustfaktor einer realen Spule errechnet sich als Quotient aus dem ESR (Serienersatzwiderstand) und Blindwiderstand. Der mit dem Ohmmeter bestimmbare ohmsche Drahtwiderstand entspricht dem ESR. Beim realen Kondensator kann kein ESR gemessen werden. Die Bestimmung des Verlustfaktors geht, wie es derzeit üblich ist, von der Reihenersatzschaltung des realen Kondensators aus. Die Güte ist der Kehrwert des Verlustfaktors. Je kleiner der ESR ist, desto idealer verhält sich das Bauteil. Die ESR-Werte können in ihre Parallelwerte umgerechnet werden. Im realen Parallelschwingkreis sind die beiden Blindwiderstände und ohmschen Widerstände parallel geschaltet. Man erkennt, dass für den Energieverlust in Form von Wärme in erster Linie der ohmsche Drahtwiderstand der Spule verantwortlich ist. Die Spule bestimmt folglich mit ihrer geringeren Güte die Leerlaufgüte des Parallelschwingkreises.

Verlustfaktoren und Güte

Die Leerlaufgüte eines realen Parallelschwingkreises verändert sich durch Hinzuschalten eines Parallelwiderstands, durch den Innenwiderstand der anregenden Signalquelle und durch jede weitere angeschlossene Last. Jede dieser Baugruppen bestimmt die Betriebsgüte des Schwingkreises, die immer kleiner als die Leerlaufgüte ist. Die absolute Bandbreite wird ebenfalls beeinflusst und mit zunehmender Belastung größer. Die Leerlauf- und die Betriebsgüte sind aus dem Verhältnis der Resonanzfrequenz zur −3 dB Bandbreite bestimmbar: Q = f0 / Δf

Wird ein Schwingkreis durch einen kurzen Energieimpuls auf seine Resonanzfrequenz angeregt, kann die Güte aus der abklingenden Schwingungsfolge mit dem Oszilloskop ermittelt werden. Die Methode liefert bis rund 10 MHz brauchbare Ergebnisse. Es werden die Anzahl der Schwingungen ausgezählt, innerhalb der die Anfangsamplitude auf die Hälfte abgenommen hat. Die Güte erhält man, wenn dieser Wert mit dem Faktor 5 multipliziert wird. Das Bild zeigt für den Parallelschwingkreis mit der angegebenen Dimensionierung die abklingende Schwingung. Die auf unterschiedlichen Wegen bestimmten Gütewerte stimmen recht gut überein. Die Güte der Spule ist der genaueste Wert, da die Messfehler geringer als die Ablesefehler sind.

Gütebestimmung durch abklingende Schwingung

Der Resonanzwiderstand

Bei Resonanz sind die Werte beider Blindwiderstände gleich, die Phasenbeziehungen zwischen Spannung und Strom sind gegenläufig und heben sich auf. Der Schwingkreis verhält sich bei fo von außen gesehen wie ein ohmscher Widerstand. Ohne Dämpfung durch angeschlossene Baugruppen ist der Resonanzwiderstand Zo vom Verlustwiderstand der Spule bestimmt. Beim Parallelschwingkreis ist das der umgerechnete äquivalente Parallelwiderstand.

Berechnung des Resonanzwiderstands

Der Schwingkreis mit den weiter oben angegebenen Bauteilwerten hat seine Resonanzfrequenz bei 5 kHz. Der nach außen wirksame ohmsche Widerstand wurde zu 10 kΩ berechnet und wird auch mit der Formel für Zo erhalten. Im Labor kann dieser Wert durch eine Spannungs- und Strommessung bei Resonanz ermittelt werden. Die Resonanzfrequenz scheint unabhängig von der Spulengüte oder einem entsprechenden Dämpfungswiderstand zu sein. Das gilt in der Praxis für Spulen hoher Güte und gering gedämpfte schmalbandige Parallelschwingkreise. Die genaue Berechnung zeigt jedoch eine kleine Abhängigkeit der Resonanzfrequenz vom Spulenwiderstand. Wird durch Hinzuschalten eines ohmschen Widerstands die Bandbreite eines Parallelschwingkreises vergrößert, so wird Resonanzfrequenz etwas kleiner.

Die Resonanzfrequenz des realen Parallelschwingkreises

Resonanzdrift

Bei einem Parallelschwingkreis aus C = 100 nF und L = 10 mH wurde die Spulengüte durch in Reihe geschaltete Widerstände verschlechtert. Die Tabelle zeigt eine geringe Verschiebung der Resonanzfrequenz zu niedrigeren Werten. Da ein Schwingkreis mit einer Betriebsgüte kleiner 10 praktisch nicht sinnvoll ist, bleibt die Frequenzdrift vernachlässigbar gering.

Rv 5 10 50 100 150
QL 63 32 6,3 3,2 2
f0/kHz 5,033 5,030 4,970 4,775 4,431

Parallelschwingkreise werden vielfach im Tuner als Abstimmkreis zur Senderwahl, als Arbeitswiderstand im Resonanzverstärker, bei Oszillatoren sowie als Sperrkreis zum Ausfiltern eng begrenzter Frequenzbereiche eingesetzt. Es folgt eine Zusammenstellung mit den wichtigsten Eigenschaften eines Parallelschwingkreises:

Bei Resonanz verhält sich ein Parallelschwingkreis wie ein ohmscher Widerstand.
Die Impedanz des Parallelkreises hat bei Resonanz ihren größten Wert.
Bei Resonanz ist der in den Kreis fließende Gesamtstrom am kleinsten.
Durch Resonanzüberhöhung sind die Blindströme im Kreis maximal und größer als der außen messbare Gesamtstrom.
Die Leerlaufgüte wird ohne zusätzliche Belastungen vom ohmschen Widerstand der Spule bestimmt.
Die Betriebsgüte ist immer kleiner als die Leerlaufgüte.
Die Bandbreite ist umgekehrt proportional zur Kreisgüte.
Die Resonanzfrequenz wird mit zunehmender Kreisdämpfung etwas niedriger.


Herleitung der Grenzfrequenzgleichungen

Die charakteristischen Frequenzen eines Schwingkreises sind seine Resonanzfrequenz und die beiden Grenzfrequenzen, mit der die Bandbreite bestimmt werden kann. Sie lassen sich experimentell recht einfach ermitteln und können auch mathematisch hergeleitet werden. Per Definition hat der Phasenwinkel bei den Grenzfrequenzen den Wert φ = ±45°, wobei das Vorzeichen den mehr induktiven oder kapazitiven Charakter der Schaltung anzeigt. Der Phasenwinkel von |45°| ist genau dann gegeben, wenn der Blindleitwert, beim Schwingkreis die Differenz der Blindleitwerte für Spule und Kondensator, gleich dem Wirkleitwert ist.

Grenzfreqenzformeln

Die Bandbreite bei Resonanz hängt von der Schwingkreisgüte ab und ist definiert als Differenz zwischen der oberen und unteren Grenzfrequenz. Ohne Zusatzdämpfung wird die Kreisgüte des Parallelschwingkreises nur von der Güte der Spule bestimmt, da der Kondensator vergleichsweise als ideales Bauteil gelten kann.

Grenzfreqenzformeln

Beim Parallelschwingkreis liegen die Grenzfrequenzen nahezu symmetrisch zur Resonanzfrequenz. Diese Aussage gilt ebenso für den Reihenschwingkreis. Die Resonanzfrequenz ist die Mittenfrequenz, die sich aus dem geometrischen Mittel der beiden Grenzfrequenzen errechnet: fo = √(fgu · fgo)