Informations- und Kommunikationstechnik

Arbeit und Leistung im Wechselstromkreis

Für den Gleichstromkreis und reinen ohmschen Widerständen wurde die elektrische Leistung und Arbeit schon behandelt. Inhalt dieser Seite ist der Leistungsumsatz im Wechselstromkreis. Ausgehend vom ohmschen Wirkwiderstand an sinusförmiger Spannung, folgen Beschreibungen zur Blindleistung und Blindarbeit am induktiven und kapazitiven Blindwiderstand und Scheinleistung und Scheinarbeit in einer Zusammenschaltung mit dem ohmschen Wirkwiderstand.

Wirkleistung und Wirkarbeit

An einem rein ohmschen Widerstand sind Wechselspannung und Wechselstrom zu jedem Zeitpunkt in Phase. Die elektrische Leistung ist das Produkt aus Strom und Spannung. Mit dem konstanten Phasenwinkel von φ = 0° ist das Ergebnis zu jedem Zeitpunkt positiv. Die Leistung wird vom Sinusgenerator oder einer entsprechenden Spannungsquelle an den Lastwiderstand abgegeben. Die Grafik zeigt das Liniendiagramm der Leistungskurve. Sie hat die doppelte Frequenz und schwingt um einen Leistungsmittelwert P herum. Diese Leistung wird Wirkleistung genannt.

Zeitdiagramm der Wirkleistung

Das Diagramm zeigt hier bei 4 V·A einen Mittelwert der Wechselstromleistung. Die Sinuskurve der Leistung verläuft zu diesem Wert symmetrisch. Die farbig markierten Halbschwingungen sind somit flächengleich. Dreht man die oberen Halbwellen in die Lücken, dann kann für einen Zeitbereich t die hier gelb markierte Rechteckfläche bestimmt werden. Der Flächeninhalt entspricht der elektrischen Arbeit W.

Der Mittelwert der Wechselstromleistung entspricht der Gleichstromleistung.
Der Mittelwert der Leistung ist die am ohmschen Widerstand umgesetzte Wirkleistung.
Im Zeitdiagramm entspricht die Fläche unter der Leistungskurve der Wirkarbeit.

Eine mathematische Herleitung der Zusammenhänge kann im Kapitel: sinusförmige Wechselspannung unter der Überschrift: Der Effektivwert von Sinusgrößen nachgelesen werden.


Blindleistung und Blindarbeit

Sowohl am induktiven als auch am kapazitiven Blindwiderstand besteht zwischen Strom und Spannung eine Phasenverschiebung von 90°. Im Liniendiagramm kann die Leistungskurve durch Multiplikation der Momentanwerte von Strom und Spannung zeichnerisch erstellt werden. Das Ergebnis ist eine ebenfalls sinusförmige Leistungskurve mit der doppelten Frequenz, die nunmehr zur Nulllinie symmetrisch ist. Daraus folgt, dass der Mittelwert der Leistung den Wert null hat. In jeder Halbperiode erhält die Spannungsquelle die zuvor an die Spule oder den Kondensator abgegebene Leistung zurück. Diese im Stromkreis hin und her pendelnde Leistung wird Blindleistung genannt. Für eine Periodendauer ist die Fläche unter der Leistungskurve gelb markiert. Aus der Flächensumme errechnet sich die Blindarbeit, die ebenfalls den Wert null hat.

Zeitdiagramm der Blindleistung

Die Blindleistung hat das Formelzeichen Q. Anstelle der bei Wirkleistung verwendeten Einheit Watt W sollte nach DIN 40110 als Einheit var (Volt Ampère réaktif) verwendet werden. Die an den Verbraucher gehende Leistung wird positiv, die an den Generator zurückgehende Leistung negativ gerechnet.

Bei der Spule wird der positive Anteil der Blindleistung zum Aufbau des Magnetfelds verwendet. Beim Abbau des Magnetfelds wirkt die Spule wie ein Generator und gibt die gleiche Leistung ab. Der Kondensator baut mit dem positiven Anteil der Leistung sein elektrisches Feld auf. Beim Abbau des elektrischen Felds wirkt er als Spannungsquelle und gibt den gleichen Blindleistungsbetrag ab.


Scheinleistung und Scheinarbeit

Viele Verbraucher oder Lastwiderstände setzen sich aus Wirk- und Blindanteilen zusammen. Am ehesten kann man das bei einer Spule erkennen. Sie hat neben der Induktivität immer einen ohmschen Drahtwiderstand. Im höheren Frequenzbereich machen sich bei Spulen zusätzlich Windungs- und Lagenkapazitäten bemerkbar. Bei Elektrolytkondensatoren und Bauformen mit aufgerollten Aluminiumfolien kommen induktive Anteile hinzu. Auch an ohmschen Wirkwiderständen lassen sich bei sehr hohen Frequenzen Induktivitätswerte nachweisen, wenn sie aus Widerstandsdraht gewickelt wurden oder bei hohen Widerstandswerten die Graphitbeschichtung eine Spiralfräsung aufweist.

Die realen Wechselstromwiderstände, wozu die meisten Wechselstromverbraucher zählen, nehmen sowohl Wirk- als auch Blindleistung auf. Sie wird am Scheinwiderstand oder Impedanz mit dem Formelzeichen Z umgesetzt. Die aufgenommene Leistung ist die Scheinleistung, auch Anschlussleistung. Sie hat das Formelzeichen S mit der Einheit V·A. Das Produkt aus Scheinleistung mal Zeit ist die Scheinarbeit Ws in V·A·s. Die Energieversorger rechnen in Deutschland im Bereich der Hausanschlüsse nur den umgesetzten Wirkleistungsanteil in kW·h ab.

Die Scheinleistung ist das Produkt aus der Spannung, die am Verbraucher gemessen wird, und dem Strom, der durch diesen Verbraucher fließt. Für jeden Phasenwinkel zwischen 0° und 90° ist die Scheinleistung größer als die Wirk- und Blindleistung. Die Zeiger der folgenden Diagramme sind nicht maßstabsgerecht, veranschaulichen die Zusammenhänge folgerichtig.

Zeigerbilder der RLC-Reihenschaltung

Der Scheinwiderstand Z einer Reihenschaltung aus Wirkwiderstand R und Blindwiderständen X ergibt sich aus dem Zeigerbild der Spannungen. Spannungen und Widerstände sind zueinander direkt proportional. Das Zeigerbild der Leistungen gleicht dem der Spannungen, da sie sich proportional zu den Quadraten der Spannungen verhalten. Der Zeiger der Wirkleistung P liegt immer zur 0°-Bezugsphase. In einer Reihenschaltung weist der Zeiger QL der induktiven Blindleistung mit +90° senkrecht nach oben. Der Zeiger der kapazitiven Blindleistung QC weist mit −90° senkrecht nach unten. Die Scheinleistung S ist die geometrische Addition der Einzelzeiger P und Q. Da alle Zeiger senkrecht zueinanderstehen, gelten nach Pythagoras die Winkelsätze des rechtwinkligen Dreiecks. Der Zeiger der Scheinleistung S bildet mit der Wirkleistung P den Phasenwinkel φ. Der Leistungsfaktor ist durch den Cosinuswert dieses Winkels definiert.

Berechnung des Leistungsfaktors

Nur die Wirkleistung kann weiter genutzt werden. Die elektrischen Anlagen müssen aber für die Scheinleistung ausgelegt sein. Besonders günstig sind folglich Verbraucher mit einem Leistungsfaktor nahe bei 1. Bei gegebener Betriebsspannung fließen dann nur minimale Blindströme in der Gesamtanlage. Auf vielen Typenschildern, besonders von Motoren, gibt es Angaben über den Leistungsfaktor cos φ.

Die Scheinarbeit ist das Produkt aus Scheinleistung mal Zeit. Die 'Stromzähler' der Privathaushalte erfassen nur den Wirkleistungsanteil. Große Gewerbe- und Industriebetriebe sind angehalten, durch geeignete Kompensationsschaltungen die Blindströme in den Versorgungsstromleitungen zu minimieren. Die Energieanbieter können andernfalls mit zusätzlichen Blindleistungszählern die gesamte Scheinarbeit berechnen.